Hier mal wieder eine aktuelle Information für meine treuen Leser:

Heute geht es um das schwierige Thema „Organspende“!

Für alle die es noch nicht oder nur so am Rande mitbekommen haben; heute soll der Bundestag über einen Gesetzesentwurf des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn entscheiden, die sogenannte „doppelte Widerspruchslösung“.

Ich möchte mich diesem Thema allerdings einmal nicht von der ethischen oder moralischen Seite nähern, sondern ausschließlich von der rein juristischen und praktischen Seite.

Aktuelle Situation:

Bislang war es so, dass Menschen die sich eine Organspende nach ihrem Tod vorstellen konnten, einen Organspende Ausweis ausfüllten und mit sich führten, so dass Sie hiermit ihren tatsächlichen Willen und damit ihre Bereitschaft zur Organspende kundgetan haben.

Hatte ein potentieller Organspender einen solchen Ausweis nicht, ist man eher davon ausgegangen, dass er zur Organspende nicht bereit war und der „mutmaßliche“ Wille musste meist über die Entscheidung von den nächsten Angehörigen ermittelt werden. Die nächsten Angehörigen, das sind in der Reihenfolge: Ehepartner, Lebenspartner oder Verwandte ersten Grades wie Eltern und Kinder.

Ein solcher Wille ist durchaus zu ermitteln, wenn Angehörige vorher schon einmal mit dem Betroffenen über dieses Thema gesprochen haben und sich genau daran erinnern, oder es gibt vielleicht eine Äußerung im Rahmen einer Vorsorgevollmacht / Patientenverfügung. Gibt es solche Hinweise nicht, konnte man nicht davon ausgehen, dass der Betroffene zur Organspende bereit gewesen wäre und er kam hierfür nicht in Frage.

Neue Regelung:

Der neue Gesetzesentwurf nun soll eine sogenannte „Widerspruchslösung“ beinhalten. Dies bedeutet, dass jemand – wenn er sich nicht zu diesem Thema geäußert hat – das heißt zu Lebzeiten nicht ausdrücklich einer Organspende widersprochen hat, als Organspender gilt, man also seinen mutmaßlichen Spenderwillen unterstellt. Regelmäßig heißt es in Pressemeldungen, dass aber dennoch die nächsten Angehörigen einer Organspende widersprechen können, wenn kein Widerspruch des Betroffenen in einem freiwilligen Register gefunden wird!                             

ALLERDINGS erscheint dies bei genauerer Betrachtung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs durch Herrn Minister Spahn jedoch etwas anders. Dort heißt es nämlich: „Entscheidend ist der Wille des möglichen Organ-oder Gewebespenders. Dem nächsten Angehörigen des möglichen Organ-oder Gewebespenders steht folglich kein eigenes Entscheidungsrecht zu. Er ist vom Arzt, der die Organ-oder Gewebeentnahme vornehmen oder unter dessen Verantwortung die Gewebeentnahme vorgenommen werden soll, nur darüber zu befragen, ob ihm ein schriftlicher Widerspruch oder ein der Organ-oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille des möglichen Organ-oder Gewebespenders bekannt ist. Weitergehende Nachforschungen obliegen dem Arzt nicht.“

Konkret heißt es im Gesetzesentwurf hierzu wie folgt:

„§ 4 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

Entnahme bei fehlender Erklärung des Spenders.

1) Der Arzt, der die Organ-oder Gewebeentnahme vornehmen oder unter dessen Verantwortung die Gewebeentnahme nach § 3 Absatz 1 Satz 2 vorgenommen werden soll, ist verpflichtet, durch eine Anfrage des nach § 2 Absatz 4 zur Auskunft berechtigten Arztes bei dem Register nach § 2 Absatz 3 zu klären, ob eine Erklärung des möglichen Organ-oder Gewebespenders zur Organ-oder Gewebeentnahme nach§ 2 Absatz 1 Nummer 3 vor-liegt. Hat die Anfrage keine Erklärung ergeben und liegt dem Arzt auch weder ein schriftlicher Widerspruch vor noch ist ihm ein entgegenstehender Wille des möglichen Organ-oder Gewebespenders bekannt, ist der nächste Angehörige des möglichen Organ-oder Gewebespenders zu befragen, ob ihm ein schriftlicher Widerspruch oder ein der Organ-oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille des möglichen Organ-oder Gewebespenders bekannt ist. Ist bei mehreren gleichrangigen nächsten Angehörigen keinem der Angehörigen ein schriftlicher Widerspruch oder ein entgegenstehender Wille bekannt, so ist die Entnahme unter den Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3, Satz 2 und Absatz 2 zulässig. Dem nächsten Angehörigen steht eine volljährige Person gleich, die dem möglichen Organ-oder Gewebespender bis zu seinem Tode in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahegestanden hat; sie tritt neben den nächsten Angehörigen.“

Was bedeutet dies aber genau und wie ändert sich die Rechtslage?

Hat bislang jemand mit sich gehadert, sich aber zu einer Organspende (z.B. durch Beantragung eines Organspende Ausweises) nicht durchringen können und hat er mit seinen nächsten Angehörigen nicht über dieses Thema gesprochen, muss man davon ausgehen, dass derjenige keine Organe spenden will, und seine Organe durften nach seinem Tod nicht zu diesem Zweck entnommen werden (dies wird u.a. mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit begründet).

In der neuen Regelung wird dieselbe Person unter denselben Voraussetzungen aber als Organspender betrachtet und es dürfen Organe entnommen werden. Die Angehörigen werden an dieser Entscheidung nicht mehr beteiligt, sondern nur zum mutmaßlichen Willen des Verstorbenen bzw. Sterbenden befragt. Eine eigene Entscheidungsbefugnis steht ihnen nicht mehr zu!

Offen bleibt auch, was ist wenn zwei gleichrangige Angehörige unterschiedliche Angaben zum mutmaßlichen Willen des Betreffenden machen? Wessen Wahrnehmung wird dann der Vorzug gegeben? Wer entscheidet darüber? Oder hat die Angabe eines von z.B. drei gleichrangigen Angehörigen, der sagt, „der Betreffende hat mir gegenüber klar erklärt, er wolle kein Organspender sein“, praktisch eine Vetofunktion?

Ich rate daher allen dringend – sollte diese Gesetzesänderung heute beschlossen werden – machen Sie sich zeitnah, am besten sofort Gedanken über diese Fragen und lassen Sie einen klaren Beschluss unverzüglich irgendwo registrieren. Gegebenenfalls erstellen sie eine Patientenverfügung / Vorsorgevollmacht und nehmen Sie dieses Thema dort mit auf! Verfügen Sie schon über ein entsprechendes Dokument, nutzen Sie die Gelegenheit und überprüfen Sie diese noch einmal, unter anderem auch darauf, ob sie noch mit der aktuellen  Rechtsprechung des BGH konform geht, da viele ältere Patientenverfügungen das nicht mehr tun und daher ungültig sein könnten.               

Es ist zweifellos eine schwierige Entscheidung – aber man sollte sie gerade aus diesem Grunde nicht anderen überlassen! Und verfolgen Sie die aktuelle Entscheidung des Bundestages zu diesem Thema.

 

 

Ihr

Peter Stimper